(miserable)

im stiegenhaus überholt mich der nachbar, der einen stock höher wohnt. in schnellen, lockeren sportschuhschritten läuft er die treppe runter. dass er zum laufen das fußballdress der französischen fußballmannschaft trägt, erkenne ich erst draußen vor der tür. dort steht er, als ich das haus verlasse, und zündet sich eine zigarette an.
(etwas erzählen wollen, das so gar nichts mit diesem tag zu tun hat)

das angenehme an der grippe ist, dass man zeit hat, darüber nachzudenken, ob jemand, dessen nachname so wunderschön auf immerwahr lautet, diesen nachnamen als bürde empfindet, und so versöhnt mit der welt, wie ich es heute bin, glaube ich, ja, immerwahr hat es nicht leicht.

am weg ins büro einmal kurz innehalten müssen, weil ein junger mann einen braungrauen husky an der leine über den zebrastreifen führte und sich mann und hund mit keinem blick würdigten, nebeneinander gingen mit in gegenseitige richtungen gewandten köpfen, als hätten sie gestritten, vor tagen schon, als redeten sie seit einer woche kein wort mehr miteinander, lebten aber miteinander in der stillen distanz eines paares, das seine kämpfe nicht mehr kämpft, sondern aussitzt und aussteht, wartend, bis sie verflogen sind, vergessen und vorbei.

nachgedacht, dann doch wieder zur schon altbekannten erkenntnis zurückgekehrt: ich häng nicht an wien, ich könnte jederzeit sehr gut ohne wien auskommen. ein halbes jahr hast du noch, alte stadt, wenn's bis dahin nichts geworden ist mit uns, hat es halt nicht sollen sein. und dann geh ich. wieder.

rainald goetz' "Johann Holtrop" gelesen und keine sekunde darüber nachgedacht, ob das nun ein guter roman ist oder nicht, den kritikern nach ja nicht, keine sekunde zeit gehabt, an die kritiker zu denken während des lesens, weil hier wut spricht und wut hier im stakkato spricht, wut und unglauben, nicht kälte, aber mit wut und unglauben spricht goetz von dieser arbeitskälte, atemlos, immer am verzweifeln, am anzweifeln, dass das doch nicht sein kann, dass das alles so ist und jeder es dennoch ernst nimmt, dass aus scheinkämpfen und scheinmacht kämpfe und macht entstehen, dass alles nur an seiner wirkung gemessen wird, immer und überall alles hohl und leer und kalt und ganz katastrophal lächerlich, und wir bemerken es nicht. all das so wahr und so beklemmend, egal, ob das nun gut oder schlecht erzählt ist und die dramaturgie stimmt, egal, ob der ganze quatsch auch buchhalterisch stimmt, völlig egal, hauptsache eine lawine der überforderungen durch die allgegenwärtige unterforderung, denn die spielchen sind nie komplex, nie unzugängig und scheißelitär, sie sind zuallerst einmal banal, aber das wollen wir nicht aushalten, nicht in dieser eindimensionalität wohl, da wollen wir dann noch erklärungen dazu, weil wir das gar nicht schätzen können: etwas endlich klar sehen zu können. große angst, dass goetz jetzt nichts mehr schreibt.