suna
Saturday, 19. January 2013
stolz


"man kann noch verstehen, dass eine Nation stolz ist auf ihre Beethovens, Voltaires, Tolstois (obwohl, was hat das mit Nation zu tun), aber dass eine Nation stolz darauf ist, dass Ivan Zybulkin kräftigere Oberschenkel hat als Hans Müller – meine Herr schaften, scheint Ihnen nicht, dass derartiger Stolz weniger über die Kraft und Gesundheit eines Zybulkin aussagt als über die Schwäche und Krankheit einer Nation? Denn wenn Ivan Zybulkin erfolgreich ist, dann ist klar, dass jeder, der diesem Ivan mit jener verdächtigen Vergötterung applaudiert, schon alleine mit seinem Klatschen öffentlich seine begeisterte Bereitschaft bekundet, sein Leben gegen das desjenigen zu tauschen, dem er applaudiert; und je mehr Leute applaudieren, desto wahrscheinlicher ist der Umschwung in der öffentlichen Meinung wie auch der ganzen Nation, die Ivan Zybulkin zu ihrem Ideal erhebt und werden möchte wie er, dessen einziger und anerkannter Verdienst seine entsetzlich kräftigen Oberschenkel sind."

nur so als anregung und im bewusstsein, dass man das erstens alles viel differenzierter sehen kann und dass es eine ganz blöde stelle ist, um ein buch vorzustellen, das mich seit tagen beschäftigt, für mich kein meisterwerk, wie es an manch anderer stelle genannt wurde, aber eine verstörende und seitenweise enorm beeindruckende lektüre, an deren ende die wehmütige frage steht: was wäre da alles noch gekommen, hätte er nicht nur dieses eine buch geschrieben? m. argejew (pseudonym für mark levi): roman mit kokain. übersetzung von norma cassau und valerie engler. manesse 2012.

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Tuesday, 8. January 2013
wo ist die angst


hab ich mich schon so an die angst gewöhnt, dass ich sie gar nicht mehr spüren kann? hab ich mich schon so in die umstände verbissen, dass das das gefühl, dass da statt der angst an mir zerrt, nur die scham ist? die scham, die mir die schadenfreude der anderen verursacht? hab ich all das, das ich mir vor ein paar jahren mal als traum zusammengezimmert hab, schon so weit verfallen lassen, dass mich dieses kleine rütteln, das da jetzt auf mich zukommt, auch nicht mehr weiter schreckt?

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pink


mein gedächtnis für gesichter ist ebensowenig vorhanden wie mein gedächtnis für namen, beides kommt höchstens in spuren vor, aber diese spuren sind nach doch ein paar lebensjahren zumindest so weit ausgetreten, dass mir ständig menschen bekannt vorkommen, sie erscheinen mir so, als hätte ich sie schon einmal gesehen und manchmal, wenn dann der richtige ort und der richtige zeitpunkt zusammenkommen, dann fällt mir doch noch ein, an wen sie mich erinnern, dann kommen die bilder hoch und die gerüche und die geräusche, in denen diese bilder entstanden sind. jetzt zum beispiel, als wir lange in der schlange zum gate warten mussten und ich also ein paar minuten zeit hatte, den pinken koffer, den pinken trolley, die pinke fleecejacke und den pinken, in die handtasche gestopften cardigan sowie die blonden strähnchen, die komplizierte kurzhaarfrisur, vor der menschen mit zu dünnen haaren dringend gewarnt werden müssten, das spitz auf ein spitzes kinn zulaufende gesicht und die mäuschenhafte piepsstimme zu beobachten, fiel mir die ehemalige praktikantenkollegin wieder ein, an die ich bestimmt seit neun jahren nicht mehr gedacht habe, seit ich nach praktikumsende wieder von berlin zurück nach wien flog.

dabei sind die ähnlichkeiten gar nicht so riesig, gar nicht besonders augenscheinlich. sie gehen nicht über die haare und die stimme und die brillen hinaus. aber es sind die kleinen gesten, die diese beiden menschen teilen, die sie bei mir in der gleichen spur abspeicherten: das leicht zwanghafte, mit dem der cardigan immer wieder in die tasche gestopft wird, als müsste man ihm seine grenzen aufweisen. die falsch verstandene lässigkeit, mit der sie über offene schuhbänder hinwegsah, obwohl sie dauernd den blick auf den boden richtete. das verzückte aufsehen zu ihrem freund mit einem blick, in dem sich grenzenlose naivität mit nörglertum vermischt, ein blick, der unbeabsichtigt immer darauf drängte, nach fehlern zu suchen, nach einem zu langen nasenhaar, nach einem pickel auf der stirn. das ständige schulterzucken über das warten, der wechsel zwischen mädchenhaftem anschmiegen und kühler distanziertheit, wenn sie den kopf ein bisschen einzog und im gedanken schon zurück im studium war, zurück im stunden- und im damit korrespondierenden lernplan.

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Wednesday, 2. January 2013
die andere seite


auf die andere seite, die, von der es vor 25 jahren hieß, sie sei für die nichtskifahrer, für die feiertagskurver, für die schneepflugartisten, kommt man, indem man unter einer straße über eine den bach überquerende brücke geht, über eine konstruktion, die genauso kompliziert aussieht wie diese beschreibung hier klingen muss. auf der anderen seite ist der erste sessellift zirka 25 jahre alt und für den zweiten gilt dasselbe, manche können sich noch daran erinnern wie das war, als man sich die bügel noch nicht von oben herunterzog, sondern sie von der seite her einklappte, sofern das morsch gewordene holz das zuließ, manche wissen noch um das rattern und ruckeln, wenn der sessel unter der stütze durch fuhr. so ist das auf der anderen seite immer noch. am anfang zumindest. denn oben angekommen öffnet sich der blick für das tal, das gar nicht an der nächsten sonnenkuppe endet, wie es das immer geheißen hatte über die andere seite, die für die touristen, für die tempomatschwitzer, die germknödelverdrücker, die pausenmacher, die pistenblockierer, die – und jetzt wird es ganz böse – sonnenskifahrer. die andere seite liegt nämlich in der sonne, bis diese untergeht, den ganzen tag lang scheint hier das olle ding auf die weißen hänge, zu denen seit 25 jahren immer mehr dazugekommen sein müssen, denn die andere seite ist plötzlich so reich an pisten, wie es mit der tief sitzenden und sehr überschaubaren vorstellung von einem hang für die kleinen und einen für die großen idioten nicht mehr vereinbar ist. auf der anderen seite ha sich also einiges getan und es wäre unbemerkt geblieben, hätte nicht der befreundete tourist darauf bestanden, doch mal die seite zu wechseln, unter der straße durch, über die brücke. schön, auch wenn mir die schattenseite weiterhin lieber ist, schön. (dabei dachte ich, die ignoranz gegenüber der heimat überwunden zu haben).

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Wednesday, 19. December 2012
wohin


mit der wut?

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Tuesday, 18. December 2012
schärfe


doch, ja, je öfter ich es mir durch den kopf gehen lasse, je genauer ich die sätze betrachte, sinn und bedeutung und alles andere auch, desto sicherer werde ich, dass die charakterisierung dieser person als person mit der intellektuellen schärfe einer zuckererbse passt. doch, ja.

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