suna
Sunday, 22. January 2012
schnee


selten eine so ereignislose landschaft gesehen wie auf dem weg von wien raus ins waldviertel, das die creative industries jetzt zum lieblingsort erkoren haben, ohne rücksicht auf verluste kaufen sie und oder bauen sie sich häuser in der einöde, und das alleine wäre schon ein grund, diese landschaft nicht zu mögen, den brauche ich aber gar nicht erst, um dieser fassungslosen trostlosigkeit nicht besonders viel abzugewinnen, meine landschaftlichen präferenzen sind frühkindlich geprägt, nehme ich an, sind fett grüne hügeltäler, sind die alpen, die totale kargheit der kornaten, ist der bergsee, tief und schwarz und viel zu kalt zum drin schwimmen, mare e monte – nichts davon ist wiederzufinden in dieser faden waldviertellandschaft, in den zu sanften hügeln, zu flachen wäldern, im zu offenen himmel, in den keine noch so fernen gipfel pieksen. doch dann geht der regen in schnee über, in feuchtpatzige bällchen erst, in federleichte flocken später, und stunde um stunde schneit es und die landschaft und die häuser verschwinden im weiß und im nebel, ein nebelweiß, auf das die sonne schon drückt, und aus dem das schneeweiß sich zu lösen scheint. so müsste es sein, durch eine wolke zu fahren, denke ich, und dann fahren wir durch den nächsten kleinen wald, einen unspektakulären fichtenwald mit überhaushohen, eng gepflanzten, sich ums licht drängenden fichten, und der schnee ist so frisch und patzig, dass er auch die stämme entlang kleben bleibt, sie hervorstreicht aus dem mattweiß des nebels wie mit einem scharfen kreidestrich an eine schwarze tafel gemalt.

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Tuesday, 10. January 2012
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staub und schatten

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Sunday, 8. January 2012
die außengrenze der freude


Beschwingtes Weiterpilgern stadtein, und die Freude dabei war nicht wie so viele Freuden der letzten paar Jahre. "Sag, wie waren die denn?" (Er zu sich selber.) – "Erst einmal kamen sie spärlicher. Und dann waren sie schnell wieder vorbei, abrupt. Sie brachen ab, oder ich war es, der sie abbrach, die Freuden. Und das rührte daher, daß meine Freude, indem sie sich ausbreiten wollte über mich hinaus, in einem bestimmten Moment unweigerlich an das Unglück der anderen stieß, an mein Bewußtsein vom Unglück, vom Elend und von der Verlassenheit der anderen. Es nützte nichts, mit dem Zeitunglesen und Fernsehen aufzuhören. Es war nicht allein das Bewußtsein von den Opfern der Tsunamis, der Hungersnöte, der Kriege in den zweiten und unendlichen Welten. Es genügte schon der Gedanke an meinen fernen Sohn und dessen Einsamkeit –, und ich fühlte mich mit meiner Freude im Unrecht. Und doch hatte ich gerade in der Freude am stärksten und schärfstumrissen die Vorstellung, das Bewußtsein, die Empfindung der, des andern. Zu meiner Freude, an deren Außengrenze, trat das Bedürfnis zu helfen, und indem es keine Hilfe gab, brach die Freude ab. ...

peter handke, der große fall, suhrkamp 2011, s 187

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Saturday, 7. January 2012
vor der tür


stereotyp einer security-frau: etwas untersetzt und stämmig, breitbeinig stehend, die hände in die hüften gestemmt oder eine hand am funkapparat, eine im gehen schwingend, kopf nach unten, keinen direkten blickkontakt. das hemd wölbt sich über dem gürtel, das eine seiner enden passt nicht durch die zweite schlaufe und steht vom körper weg wie ein dorn. die haare pechschwarz gefärbt, mit trägen spitzen, nicht geschminkt, die augen träge, die u-formigen wangen träge, der mund schmal und das nach vorne geschobene kinn schon bereitet für ein kratziges haar. schon beim öffnen der tür steckt sie sich die zigarette an, zum anzünden zieht sie die andere hand zum schutz heran. sie nimmt einen tiefen zug. die taube, die seit minuten auf dem geländer sitzt, auf dem sich die frau mit den breiten schultern aufstützte, würde es nicht regnen, scheißt. die frau lacht ein kehliges lachen, ihre zähne sind groß und strahlend weiß und gleichmäßig.

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Friday, 6. January 2012
maria


es war zu spät, um kurz an einer hausmauer stehen zu bleiben und die sonne im gesicht zu spüren, sie stand schon zu tief für die stadt, als ich mich endlich aus dem haus traute und das freie suchte, die luft und die sonne, doch dann, als ich mich noch einmal nach maria am gestade umdrehte, dem wohl bekannten, aber trotz der nähe zu den gewohnten wegen noch nie gesehenen ort, an dem vorbei die streunerschritte mich heute trugen, war sie noch einmal kurz da, sonne auf kirche, und ich ging rückwärts weiter, zwei oder drei schritte, bis der wind, der mich zuvor an der kirche vorbeigetragen hatte, mich mitten im gesicht erwischte und mir, für einen kurzen moment, den atem nahm.

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Tuesday, 19. April 2011
weggeben


ich halte mich eigentlich für eine gute wegwerferin, für eine gute loslöserin, wenn es um dinge geht zumindest, um kleidungsstücke oder utensilien oder krimskrams, für das ich keine verwendung und keinen platz habe. eigentlich. nach wie vor aber kann ich das kleine lederetui, in dem zu schulzeiten kuli und bleistift lagen, nicht wegwerfen. es war nie und ist nicht besonders schön, ich hatte schon zu unizeiten längst darauf verzichtet. die darauf notierten geburtstage und in faden schulstunden verewigten kleinstnotizen, die etwas verzweifelten anläufe von ikonenverehrung und all die immer wieder überschriebenen songtextzeilen mit den hineingeschwindelten vokabel-hilfen verbleichen schön langsam, das federpenal ist fast in seinen nackten urzustand zurückgekehrt und wird weiter irgendwo liegen bleiben, mit ein zwei münzen drin, weil ich's weder brauchen noch wegwerfen kann. weiß nicht, warum.

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