suna
Tuesday, 29. January 2013
selbstschutz


ich glaube, jetzt kann ich ihn. jetzt hab ich ihn jederzeit zur hand. nach langem üben bin ich mir sicher: wenn der moment kommt, kann ich mich darauf verlassen, dass die fäuste in den taschen versteckt bleiben, die schultern sanft nach hinten kippen, der hals sich streckt, die mundwinkeln sich fast unmerklich nach oben schieben, die nasenflügel sich beim langsamen ein- und ausatmen lockern, die stirn sich entspannt und den weg für ihn ebnet: den blick. ich hab hin und her überlegt und mich dann für den madonnnenblick entschieden, den vor dem spiegel zu üben meine selbstachtung verletzen würde, ein weiteres mal. ich kann ihn auch so. mit dem madonnenblick werde ich sie lange ansehen, dann, wenn der moment kommt, und sie wird sehen, dass ich sie ansehe und gleichzeitig durch sie hindurchsehe, weil das, was sie darstellt, für mich nicht mehr begreiflich ist. in meinem madonnenblick wird sie sehen, dass sie unsichtbar ist für mich, nur noch hülle ist, ein weiterer vogel, der meinen weg kreuzt, ein weiteres auto, eine weitere regenschnur, ohne eine bedeutung, die irgendwie von dauer wäre. sie wird versuchen, ihn einzufangen, ihn festzumachen, sie wird herumbrüllen und die fäuste strecken. wie ein kind wird sie sich wieder auf den boden werfen und wie ein kleinstkind um aufmerksamkeit brüllen und mein madonnenblick wird in sich und auf ihr ruhen. es wird kein mitleid in ihm zu finden sein. fern von verachtung, fern jedes anflugs von abscheu wird er sein und sie nicht erkennen. er wird lebendig sein, aber nicht offen für ihr leben, das sie so gerne in meines eingemeinden würde. er wird nicht sehnsüchtig sein, nicht hoffnungsfroh, nicht herabwürdigend und schon gar nicht arrogant.

sie wird nichts mit ihm anfangen können. er wird sie in die knie zwingen. er wird sie aufstampfen lassen, die schultern heben, sie wird mich wieder packen und versuchen, worte aus mir heraus und diesen blick endlich von ihr weg zu schütteln, aber es wird keine worte für sie geben und auch keinen blick, der sie wahrnimmt, weil dann, wenn der moment kommt und sie vor mir stehen und meine aufmerksamkeit einfordern wird, da nämlich nichts mehr sein wird für meinen blick, nichts, das er berühren könnte, kein gehör, auf das meine worte treffen würden, keine hülle, die meine hände von mir wegstoßen würden. ohne etwas zu tun, wird mein blick ihre scheinheiligkeit offen legen, aus ihr werden worte strömen, sätze, vorwürfe und anschuldigungen, sie wird auf das repertoire aus schlechten filmen zurückgreifen, zwischendurch die sätze der therapeutin wiederkäuen, sie wird dinge sagen, von denen sie später behaupten wird, auch vor sich selbst, sie hätte das recht, solche dinge zu sagen. denn sie wird glauben, dass das, was sie fühlt, schmerz ist, aber sie wird nicht wissen, welche art von schmerz das ist, sie wird ihn als allgemeinen, tumben schmerz erfahren, den sie nur als ausrede braucht, um alles und alle zu tyrannisieren, im wahnsinn, von dem sie später erzählen wird, dass er ihr zusteht. mein blick wird sie dazu veranlassen, in mir einen unmenschen zu sehen, weil ihr, auf deren provokation immer, immer, immer aufmerksamkeit folgt, dieser blick völlig fremd sein wird. sie wird sich mir entfremdet fühlen, sie wird mich verabscheuen, sie wird erzählen, sie habe einen moment erlebt, in dem sie nicht mehr fähig war, an das gute im menschen zu glauben. sie wird diesen blick für seelische kälte und grausamkeit halten und ahnen, dass das mit kälte genausowenig zu tun hat wie mit gleichgültigkeit, den beides hieße, sie, die damit bedacht wird, akzeptiert zu haben. doch mein blick wird ihr das sein erlauben, ohne dass es in meinem sein wahr- und aufgenommen wird, für mich wird da einfach nichts sein, nichts mehr sein. mein blick wird dieses nichts nicht mehr an mich heranlassen, er wird es sein lassen. sie wird mich zu boden stoßen, in den schlamm, in den dreck, und ich werde aufstehen und ruhigen schrittes nachhause gehen. es wird nichts geschehen sein.

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